Montag, 20. Mai 2019

Leipziger Buchmesse 2019


Eine einzigartige Erfahrung der Sinne? Eine unglaubliche Zeitreise? Pure Verführung und höhere Erwartungen, wie man sie sich je vorstellen würde? 



Ich versuche gerade, Worte zu finden, die diese Tage, vom 21. bis 24. März 2019, also der Leipziger Buchmesse, treffend beschreiben können. Informative Berichte gibt es ja schon genug. Ich jedoch versuche, meine Leser mitzunehmen, in eine Welt, in der das „Wort“ auf ganz verschiedene Art und Weise noch große Bedeutung findet.

Die Leipziger Buchmesse gehört zu den zehn führenden deutschen Messegesellschaften und befinden sich zu Recht auf den Top 50 weltweit. Der Messeplatz Leipzig umfasst eine Ausstellungsfläche von 111.900 qm, mit einem Freigelände von 70.000 qm. Als erste deutsche Messegesellschaft wurde Leipzig sogar nach „Green Globe Standards“ zertifiziert. Nur mal so am Rande, das ganze hier soll ja kein Wirtschaftsfaktor werden!



Jedoch möchte ich noch kurz die perfekte Organisation diese Events ansprechen. Wir „Presseleute“ bekamen einen bewachten Parkplatz zugewiesen, konnten im eigens dafür eingerichteten Presseraum täglich wichtige Informationen erhalten und diese auf Wunsch auch sofort bearbeiten. Echt beachtlich! 

Ja und nach einer aufmerksamen Sicherheitskontrolle, durften wir unsere neugierigen Nasen in sämtliche Angelegenheiten stecken.

Es reichten bei Weitem keine vier Tage aus, um das Miterlebte auch nur annähernd zu beschreiben, deshalb habe ich die für mich bedeutungsvollsten Themen herausgefiltert.

Das „Blaue Sofa“ zum Beispiel. 62 epochale Autoren präsentierten dort ihre Bücher. Vorgestellt wurden Romane, Biografien und Sachbücher. Journalisten des ZDF, 3sat und dem Deutschlandfunk Kultur führten die Moderation und schafften es lächelnd, so manches Geheimnis zu entlocken. Natürlich wurde jedes Interview vom WDR live übertragen. Zwei Autoren haben mich persönlich sehr neugierig gemacht.

Johannes Fried mit seinem Buch Kein Tod auf Golgatha - Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus 



Die Moderatorin Marie Sagenschneider staunte, wie wir alle, nicht schlecht, als der Historiker Johannes Fried überzeugend aussagte, Jesus starb nicht am Kreuz. Dabei konnte Fried seine Aussagen durchaus bestätigen. Über einen wissenschaftlich zu belegenden Bericht stieß Fried darauf, dass der gekreuzigte Jesus in eine CO2 Narkose gefallen sein musste, die von einer Verletzung des Rippenfells her beruhte. Der obligatorisch ausgeführte Lanzenstich eines damals anwesenden Soldaten, zur Überprüfung des Todes, führte laut Fried dazu, dass Jesus überleben konnte. Ein Pleuraerguss drückt, wenn er lange genug wirkt, in einen Pleuraspalt, wo sich normalerweise beim Atmen die Luft auffaltet. Wenn also in diesem Spalt Flüssigkeit eindringt und den Lungenflügel zusammendrückt, wird der Mensch nur ohnmächtig. Dauert es länger, erstickt er. Wird diese Flüssigkeit jedoch abgelassen, kann sich der Spalt wieder schließen und die Lunge kann sich erneut entfalten. Ein unbeabsichtigter Lanzenstich rettete Jesus also das Leben? Selbst im Johannesevangelium sei diese medizinische Notoperation erwähnt worden…

Atemlos hörten wir einer weiteren Aussage Frieds zu. Jesus wurde nach nur sechs Stunden vom Kreuz abgehängt, da das jüdische Fest „Pessach“ anstand. Dieses konnte nur beginnen, wenn vorher die Toten abgenommen wurden. Und weil man ihn für tot hielt, wurden ihm auch nicht die Beine gebrochen. Hätte man dies getan, wäre eine ganz andere Konsequenz daraus entstanden. Durch die Schläge auf die Beine hätte sich die Hauptschlagader geöffnet und Jesus wäre, wie viele andere, dadurch verblutet. Zeugen sagen aus, wie Wasser und Blut aus seinem Körper floss….also, ist Jesus überhaupt am Kreuz gestorben? Auf jeden Fall  ein sehr aufregendes Interview mit dem Autor Johannes Fried!




Auch ein anderer Name, Bela B. Felsenheimer - mit seinem Buch „Scharnow“ ließ kaum einen Stehplatz übrig. Mein eigener Fotograf, Thorsten Adams, erklomm die denkwürdigsten Plätze, um Aufnahmen von ihm zu erhaschen. Die ersten musikalischen Schritte wagte der gebürtige Berliner mit seiner selbst gegründeten Gruppe „Empire“. Abgebrochene Polizeiausbildung, versuchte Ausbildung zum  Schauwerbegestalter, die er wegen seiner gefärbten Haare abbrechen musste. Das Schicksal sah ihn einfach als Musiker, trotzdem er ebenfalls einige Schauspielrollen ergattert hatte. Nach weiteren musikalischen Versuchen begegnete er Farin Urlaub und Sahnie, ab da ging es mit der Punkband „Die Ärzte“ erfolgreich aufwärts. Die Geschichte kennt jeder. Auch, das die Band auseinanderging und sich wieder neu sortierte. 2006 veröffentlichte Bela B. sein erstes Soloalbum. Aber er beschäftigte sich nicht nur mit der Musik. Bela B. war auch Inhaber des Leipziger Comicverlages „Extrem Erfolgreich Enterprises“, kurz EEE. Sogar eine Vampir-Anthologie zog er aus seiner Feder. Nicht schweigen sollte man auch über sein soziales Engagement. Und jetzt liegt der Welt sein erster skurriler Roman „SCHARNOW“ zu Füßen. Einige Zungen sprechen dabei lächelnd von „einem etwas anderen Heimatroman“. Tatsächlich kommen in seinem Roman bizarre Typen aus einer ostdeutschen Provinz nördlich von Berlin vor. Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten. Mordlustige Bücher richten blutige Ereignisse an. Und ein „Pakt der Glücklichen“ hat plötzlich kein Bier mehr. Natürlich bleibt hier auch die Liebe nicht auf der Strecke. Ein syrischer Praktikant macht sich für ein Mangamädchen stark …. typisch Bela B. eben. Seinen Künstlername Bela B. hat dieser unglaubliche Typ übrigens an den Dracula Darsteller BELA LUGOSI angelehnt….Wir sind gespannt, was wir in Zukunft von „unserem Bela B. Felsenheimer“ noch alles erwarten dürfen….

In der Glashalle, wo auch das „Blaue Sofa“ zu finden war, gab es zur „Blauen Stunde“, wie konnte es auch anders sein, eine Vorstellung der Preisträger in den Genres Belletristik-Sachbuch und Übersetzung. Siegerin in der Kategorie Belletristik wurde Anke Stelling mit „Schäfchen im Trockenen“, in der Kategorie Sachbuch gewann Harald Jähner mit seinem Werk „Wolfszeit“ und über den Preis für die Auszeichnung „Übersetzung“ freute sich Eva Ruth Wemme für ihre Übersetzung „Verlorener Morgen“ von Gabriela Adamesteanu aus dem Rumänischen. Herzlichen Glückwunsch!




Aber mit der Glashalle hatten wir gerade nur ein Fitzelchen erlebt, was uns auf der   Buchmesse geboten wurde. In vier weiteren Hallen tobte die Welt der Buchstaben. Ein Highlight jagte das andere: Leipziger Lesekompass- Prämierung der Siegertitel 2019 - Kinder fürs Lesen begeistern. Eröffnung des Café Europa. Preisverleihungen, bücher.macher: Patriarchendämmerung- wie sich das Bild des Verlegers wandelt. Gastland Tschechien: Feierliche Eröffnung des Nationalstandes der Tschechischen Republik. Der große Phantastik-Leseabend. Karrieretag Buch und Medien. Democracy Slam. Lehrertag. „Herr der Ringe Abend“. Hervorragendes A-cappella-Konzert, vorgetragen vom MDR- Rundfunkchor. Und sooo vieles mehr.

286.000 Besucher brachten hier, auf der Buchmesse in Leipzig, ihre Begeisterung für Bücher, Autoren und Verlage zum Ausdruck. Dies bestätigte doch wieder einmal, dass die faszinierende Kraft des Wortes zum einem nie verloren ging und zum anderen weiterhin besteht. Ein umfangreiches Angebot zum Beispiel in den Bereichen Reiseführer, Kunst und Leben, Schicksalsjahre Europa, Freizeit und Kultur, Abenteuer, Fantasy, aber auch Wiederaufbau und Wirtschaftswunder wurde in diesen Hallen präsentiert. 

Mich faszinierten ausdrucksstarke Buchvorstellungen von jungen Schriftstellerinnen namens Anna Gien & Marlene Stark und „M“, Isabelle Lehn und „Frühlingserwachen“ oder auch Caroline Rosales mit „Sexuell verfügbar“. Ich denke noch heute über diese aussagekräftigen Gespräche nach. Der nahezu kompletten Abwesenheit der Frauen in der Kunst. Natürlich nicht als Objekte, aber sicherlich als Subjekte. Berühmte Romane wurden lange Zeit nur von Männern geschrieben, Bilder von Männern gemalt, musikalische Kunstgenüsse von Männern kreiert. Perfekte, fiktive Frauengestalten stammten aus Männerhänden. Ihre Protagonistinnen benahmen sich so, wie Männer es sich ausmalten, vorstellten oder fühlten. Und lange Zeit ging dieses Phänomen tatsächlich auf. Warum nur? Ganz klar! Es galten nur männliche Maßstäbe und damit auch das unantastbare „Repräsentieren“ der Männerwelt. Frauen hingegen mussten erst erlernen, nicht stumm zu bleiben, sich einen „eigenen Weg“ erarbeiten. Und das ist den weiblichen Schriftstellerinnen gelungen- heutzutage sind weibliche Autorinnen, ihre Gedanken und Gefühle nicht mehr wegzudenken. Frauen schreiben anders, Frauen denken anders und Frauen gehen mit ihrer eigenen gedanklichen Freiheit ganz anders um. Seit den 70er Jahren gibt es den Begriff Écriture féminine, dies bedeutet übersetzt „weibliches Schreiben“. Es war ein harter Kampf, gegen die männliche, festgesetzte und patriotische Ordnung anzukommen. Nun ja, was soll ich sagen? Es hat sich völlig gelohnt! Böse Zungen behaupten immer noch, Frauen müssten doch nur nachmachen, was die Männerwelt ihnen lange Zeit vorgelebt hatte! Das genaue Gegenteil haben weibliche Autorinnen längst bewiesen. Besonders stark und unabhängig haben sie die erotische Sparte erobert. Frauen erleben ihre eigenen weiblichen Körper intensiver wie Männer, wissen viel besser, wie sie den „ultimativen Kick“ in sexueller Hinsicht erreichen und sind heutzutage auch mutig genug, klar und schonungslos darüber zu schreiben. Sie präsentieren ihre Zeiten eben mit den Waffen einer Frau!

Beim Durchschlendern der Hallen fiel mir auch gleich beim Suhrkamp Verlag ein Buch auf. „LOLA“, Buch des Monats der Autorin Melissa Scrivner Love. Ein fesselnder Thriller, den selbst die NEW YORK TIMES als „unfassbar fesselnd“ betitelte. Selbstverständlich waren auch eine ganze Menge Hörbücher verschiedener Genres zu erwerben. Ich selbst habe mir beim HEYNE Verlag „Die Tochter der Hexe“ zugelegt, von Paula Brackston. Eine faszinierende Reise der Hexe Bess. Vorgeschriebene  Pflichtlektüre, die offen denkende Leser/Leserinnen in eine magische Welt abtauchen lässt. Genau meins!



Leipziger Buchmesse bedeutet auch Abenteuer pur. Den roten Kontinent Australiens entdecken, um dort Aborigines, Kängurus und Koalas zu begegnen. Neuseeland erleben wie die Einheimischen, das Land der langen, weißen Wolken oder sich doch lieber selbst finden und sich eine Übersicht der bekannten Jakobswege verschaffen? Alles möglich, hier in Leipzig. 

Auf der Leipziger Buchmesse konnten wir auch an der größten Wohnzimmerlesung des „Autorinnenclub“ teilnehmen. 13 Mitglieder stellten uns ihre Zeilen vor. Vom Newcomer bis zu einer Autorin mit Auszeichnung war alles dabei. Ein „fruchtbares Netzwerk unter Frauen sei wichtig“, so eine der verantwortlichen Autorinnen und damit gebe ich ihr völlig Recht.



Immer wieder hörten wir begründete Fragen. Das eigene Manuskript an Verlage weiterreichen oder sich doch an Self Publishing wagen? Dabei lagen die Antworten so nahe! Um uns herum befanden sich Mitarbeiter der ganz Großen. Goldmann, Rowohlt, Heyne, Bastei Lübbe, nur um einige zu nennen. Aber auch kleinere Verlage, die immer wieder gerne Manuskripte annehmen, konnte man hier kennen lernen. Ein sehr interessantes und umfangreiches Gespräch führte ich mit Tino Hemmann. Er vertrat den ENGELSDORFER Verlag, in Leipzig ansässig. Dieser kleine Verlag ist sehr persönlich und schaffte es durchaus, sich hier auf der Buchmesse sehr gut zu präsentieren. Echt gefreut habe ich mich auch darüber, das Buch meines Autorenkollegen Kurt Guske aus Bottrop Kirchhellen „Entführt, Vermisst, Verschollen“ aus dem Engesldorfer Verlag hier an dem Stand zu entdecken. Ein klasse Buch und ein hervorragender Autor!



Sehr anschaulich war auch der TraumFänger Verlag. Ein Fachverlag für gute Indianer Literatur. Mit ihrem Verlag unterstützen sie die Lakota Horsemenship und das Winterprojekt des Pine Ridge Reservat, Süddakota USA. Vorgestellt wurden hier selbstverständlich auch ihre Neuheiten: Pine Ridge statt Pina Colada, Meine Mutter, der Indianer und ich, Im Schatten des Schamanen. Eine völlig andere Welt, aber wirklich sehr zu empfehlen!

Auch die Kunst kam auf der Leipziger Buchmesse nicht zu kurz. Kreative Werke, wie Bücher aus Stein, Federwerkzeug oder antiquarische Besonderheiten konnten bewundert oder sogar erstanden werden. Natürlich sollte ich auch den kulinarischen Aspekt dieser Messe kurz erwähnen. Wer kann solch ein Event schon ohne genussvolle Speisen und Trünke genießen? Auch hier könnte ich wieder ins Schwärmen geraten, auch hier gab es unendliche Geschmacksrichtungen. Eins jedoch fand ich persönlich besonders gut gelungen. Bücher und Wein passen meiner Meinung nach hervorragend zusammen. In dieser Zeit versuchten wir natürlich, soviel Input wie möglich zu erhalten, dabei stießen wir auf den Stand „Die Winzer IG Neumagen-Dhron“ an der Mosel. Bei einer genialen Weinprobe lernten wir „9 Weintypen“ kennen, die es echt drauf hatten. Leider konnten wir die Weinprobe nicht richtig genießen, deshalb ließen wir uns Infomaterial in die Hand drücken. Irgendwann wollen wir die „Stella Noviomagi“ von Neumagen-Dhron an der Mosel kennenlernen. Der fahrtüchtige Nachbau des berühmten Neumagener Weinschiff - Denkmal. Was kann es Schöneres an einem strahlenden Sonnentag geben, als eine Weinprobe auf einem antiken Holzrömerschiff und dabei ein gutes Buch in der Tasche zu haben? Versuchen wir es doch mal.



So sehr wir auch diesen außergewöhnlichen Tagen der Leipziger Buchmesse entgegen gefiebert haben, so schnell zogen sie uns in ihrem Bann und flogen nur so davon. Ich könnte noch über so vieles über diese hochinteressante Messe berichten, aber dies würde die restliche Welt dann wahrscheinlich „Manuskript“ nennen. Obwohl, daran arbeite ich ja gerade. Vielleicht findet man eines Tages mein Buch auf der Leipziger Buchmesse wieder. Oder Ihres? Den Traum daran nie aufgeben, denn eins wird immer Wirklichkeit bleiben und hat bis heute einen immens hohen Stellenwert - die Leipziger Buchmesse!





Bericht          Tina Becker
Fotomaterial Thorsten Adams & Natascha Becker

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