Eine einzigartige Erfahrung der Sinne? Eine unglaubliche
Zeitreise? Pure Verführung und höhere Erwartungen, wie man sie sich je
vorstellen würde?
Ich versuche gerade, Worte zu finden, die diese Tage, vom
21. bis 24. März 2019, also der Leipziger Buchmesse, treffend beschreiben können.
Informative Berichte gibt es ja schon genug. Ich jedoch versuche, meine Leser
mitzunehmen, in eine Welt, in der das „Wort“ auf ganz verschiedene Art und
Weise noch große Bedeutung findet.
Die Leipziger Buchmesse gehört zu den zehn führenden deutschen
Messegesellschaften und befinden sich zu Recht auf den Top 50 weltweit. Der
Messeplatz Leipzig umfasst eine Ausstellungsfläche von 111.900 qm, mit einem
Freigelände von 70.000 qm. Als erste deutsche Messegesellschaft wurde Leipzig sogar
nach „Green Globe Standards“ zertifiziert. Nur mal so am Rande, das ganze hier
soll ja kein Wirtschaftsfaktor werden!
Jedoch möchte ich noch kurz die perfekte Organisation diese
Events ansprechen. Wir „Presseleute“ bekamen einen bewachten Parkplatz
zugewiesen, konnten im eigens dafür eingerichteten Presseraum täglich wichtige
Informationen erhalten und diese auf Wunsch auch sofort bearbeiten. Echt
beachtlich!
Ja und nach einer aufmerksamen Sicherheitskontrolle,
durften wir unsere neugierigen Nasen in sämtliche Angelegenheiten stecken.
Es reichten bei Weitem keine vier Tage aus, um das
Miterlebte auch nur annähernd zu beschreiben, deshalb habe ich die für mich
bedeutungsvollsten Themen herausgefiltert.
Das „Blaue Sofa“ zum Beispiel. 62 epochale Autoren präsentierten
dort ihre Bücher. Vorgestellt wurden Romane, Biografien und Sachbücher. Journalisten
des ZDF, 3sat und dem Deutschlandfunk Kultur führten die Moderation und
schafften es lächelnd, so manches Geheimnis zu entlocken. Natürlich wurde jedes
Interview vom WDR live übertragen. Zwei Autoren haben mich persönlich sehr
neugierig gemacht.
Johannes
Fried mit seinem Buch Kein Tod auf Golgatha - Auf der Suche nach dem überlebenden
Jesus
Die Moderatorin Marie Sagenschneider staunte, wie wir alle,
nicht schlecht, als der Historiker Johannes Fried überzeugend aussagte, Jesus
starb nicht am Kreuz. Dabei konnte Fried seine Aussagen durchaus bestätigen.
Über einen wissenschaftlich zu belegenden Bericht stieß Fried darauf, dass der
gekreuzigte Jesus in eine CO2 Narkose gefallen sein musste, die von einer
Verletzung des Rippenfells her beruhte. Der obligatorisch ausgeführte Lanzenstich
eines damals anwesenden Soldaten, zur Überprüfung des Todes, führte laut Fried dazu,
dass Jesus überleben konnte. Ein Pleuraerguss drückt, wenn er lange genug
wirkt, in einen Pleuraspalt, wo sich normalerweise beim Atmen die Luft
auffaltet. Wenn also in diesem Spalt Flüssigkeit eindringt und den Lungenflügel
zusammendrückt, wird der Mensch nur ohnmächtig. Dauert es länger, erstickt er.
Wird diese Flüssigkeit jedoch abgelassen, kann sich der Spalt wieder schließen
und die Lunge kann sich erneut entfalten. Ein unbeabsichtigter Lanzenstich
rettete Jesus also das Leben? Selbst im Johannesevangelium sei diese
medizinische Notoperation erwähnt worden…
Atemlos hörten wir einer weiteren Aussage Frieds zu. Jesus
wurde nach nur sechs Stunden vom Kreuz abgehängt, da das jüdische Fest
„Pessach“ anstand. Dieses konnte nur beginnen, wenn vorher die Toten abgenommen
wurden. Und weil man ihn für tot hielt, wurden ihm auch nicht die Beine
gebrochen. Hätte man dies getan, wäre eine ganz andere Konsequenz daraus
entstanden. Durch die Schläge auf die Beine hätte sich die Hauptschlagader geöffnet
und Jesus wäre, wie viele andere, dadurch verblutet. Zeugen sagen aus, wie Wasser
und Blut aus seinem Körper floss….also, ist Jesus überhaupt am Kreuz gestorben?
Auf jeden Fall ein sehr aufregendes
Interview mit dem Autor Johannes Fried!
Auch ein anderer Name, Bela B. Felsenheimer - mit seinem
Buch „Scharnow“ ließ kaum einen Stehplatz übrig. Mein eigener
Fotograf, Thorsten Adams, erklomm die denkwürdigsten Plätze, um Aufnahmen von
ihm zu erhaschen. Die ersten musikalischen Schritte wagte der gebürtige Berliner
mit seiner selbst gegründeten Gruppe „Empire“. Abgebrochene Polizeiausbildung,
versuchte Ausbildung zum Schauwerbegestalter, die er wegen seiner
gefärbten Haare abbrechen musste. Das Schicksal sah ihn einfach als Musiker,
trotzdem er ebenfalls einige Schauspielrollen ergattert hatte. Nach weiteren
musikalischen Versuchen begegnete er Farin Urlaub und Sahnie, ab da ging es mit
der Punkband „Die Ärzte“ erfolgreich aufwärts. Die Geschichte kennt jeder.
Auch, das die Band auseinanderging und sich wieder neu sortierte. 2006
veröffentlichte Bela B. sein erstes Soloalbum. Aber er beschäftigte sich nicht
nur mit der Musik. Bela B. war auch Inhaber des Leipziger Comicverlages „Extrem
Erfolgreich Enterprises“, kurz EEE. Sogar eine Vampir-Anthologie zog er aus seiner
Feder. Nicht schweigen sollte man auch über sein soziales Engagement. Und jetzt
liegt der Welt sein erster skurriler Roman „SCHARNOW“ zu Füßen. Einige Zungen
sprechen dabei lächelnd von „einem etwas anderen Heimatroman“. Tatsächlich
kommen in seinem Roman bizarre Typen aus einer ostdeutschen Provinz nördlich
von Berlin vor. Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer
Universalmacht zu vernichten. Mordlustige Bücher richten blutige Ereignisse an.
Und ein „Pakt der Glücklichen“ hat plötzlich kein Bier mehr. Natürlich bleibt
hier auch die Liebe nicht auf der Strecke. Ein syrischer Praktikant macht sich
für ein Mangamädchen stark …. typisch Bela B. eben. Seinen Künstlername Bela B.
hat dieser unglaubliche Typ übrigens an den Dracula Darsteller BELA LUGOSI
angelehnt….Wir sind gespannt, was wir in Zukunft von „unserem Bela B.
Felsenheimer“ noch alles erwarten dürfen….
In der Glashalle, wo auch das „Blaue Sofa“ zu finden war,
gab es zur „Blauen Stunde“, wie konnte es auch anders sein, eine Vorstellung
der Preisträger in den Genres Belletristik-Sachbuch und Übersetzung. Siegerin
in der Kategorie Belletristik wurde Anke Stelling mit „Schäfchen im Trockenen“,
in der Kategorie Sachbuch gewann Harald Jähner mit seinem Werk „Wolfszeit“ und
über den Preis für die Auszeichnung „Übersetzung“ freute sich Eva Ruth Wemme
für ihre Übersetzung „Verlorener Morgen“ von Gabriela Adamesteanu aus dem
Rumänischen. Herzlichen Glückwunsch!
Aber mit der Glashalle hatten wir gerade nur ein Fitzelchen
erlebt, was uns auf der Buchmesse geboten wurde. In vier weiteren
Hallen tobte die Welt der Buchstaben. Ein Highlight jagte das andere: Leipziger
Lesekompass- Prämierung der Siegertitel 2019 - Kinder fürs Lesen begeistern.
Eröffnung des Café Europa. Preisverleihungen, bücher.macher:
Patriarchendämmerung- wie sich das Bild des Verlegers wandelt. Gastland
Tschechien: Feierliche Eröffnung des Nationalstandes der Tschechischen
Republik. Der große Phantastik-Leseabend. Karrieretag Buch und Medien. Democracy
Slam. Lehrertag. „Herr der Ringe Abend“. Hervorragendes A-cappella-Konzert,
vorgetragen vom MDR- Rundfunkchor. Und sooo vieles mehr.
286.000 Besucher brachten hier, auf der Buchmesse in
Leipzig, ihre Begeisterung für Bücher, Autoren und Verlage zum Ausdruck. Dies
bestätigte doch wieder einmal, dass die faszinierende Kraft des Wortes zum einem
nie verloren ging und zum anderen weiterhin besteht. Ein umfangreiches Angebot zum
Beispiel in den Bereichen Reiseführer, Kunst und Leben, Schicksalsjahre Europa,
Freizeit und Kultur, Abenteuer, Fantasy, aber auch Wiederaufbau und
Wirtschaftswunder wurde in diesen Hallen präsentiert.
Mich faszinierten ausdrucksstarke Buchvorstellungen von
jungen Schriftstellerinnen namens Anna Gien & Marlene Stark und „M“,
Isabelle Lehn und „Frühlingserwachen“ oder auch Caroline Rosales mit „Sexuell
verfügbar“. Ich denke noch heute über diese aussagekräftigen Gespräche nach.
Der nahezu kompletten Abwesenheit der Frauen in der Kunst. Natürlich nicht als
Objekte, aber sicherlich als Subjekte. Berühmte Romane wurden lange Zeit nur
von Männern geschrieben, Bilder von Männern gemalt, musikalische Kunstgenüsse
von Männern kreiert. Perfekte, fiktive Frauengestalten stammten aus
Männerhänden. Ihre Protagonistinnen benahmen sich so, wie Männer es sich ausmalten,
vorstellten oder fühlten. Und lange Zeit ging dieses Phänomen tatsächlich auf.
Warum nur? Ganz klar! Es galten nur männliche Maßstäbe und damit auch das
unantastbare „Repräsentieren“ der Männerwelt. Frauen hingegen mussten erst
erlernen, nicht stumm zu bleiben, sich einen „eigenen Weg“ erarbeiten. Und das
ist den weiblichen Schriftstellerinnen gelungen- heutzutage sind weibliche
Autorinnen, ihre Gedanken und Gefühle nicht mehr wegzudenken. Frauen schreiben
anders, Frauen denken anders und Frauen gehen mit ihrer eigenen gedanklichen Freiheit
ganz anders um. Seit den 70er Jahren gibt es den Begriff Écriture féminine, dies bedeutet
übersetzt „weibliches Schreiben“. Es war ein harter Kampf, gegen die männliche,
festgesetzte und patriotische Ordnung anzukommen. Nun ja, was soll ich sagen?
Es hat sich völlig gelohnt! Böse Zungen behaupten immer noch, Frauen müssten
doch nur nachmachen, was die Männerwelt ihnen lange Zeit vorgelebt hatte! Das
genaue Gegenteil haben weibliche Autorinnen längst bewiesen. Besonders stark
und unabhängig haben sie die erotische Sparte erobert. Frauen erleben ihre eigenen
weiblichen Körper intensiver wie Männer, wissen viel besser, wie sie den
„ultimativen Kick“ in sexueller Hinsicht erreichen und sind heutzutage auch
mutig genug, klar und schonungslos darüber zu schreiben. Sie präsentieren ihre
Zeiten eben mit den Waffen einer Frau!
Beim Durchschlendern der Hallen fiel mir auch gleich beim
Suhrkamp Verlag ein Buch auf. „LOLA“, Buch des Monats der Autorin Melissa
Scrivner Love. Ein fesselnder Thriller, den selbst die NEW YORK TIMES als „unfassbar
fesselnd“ betitelte. Selbstverständlich waren auch eine ganze Menge Hörbücher
verschiedener Genres zu erwerben. Ich selbst habe mir beim HEYNE Verlag „Die
Tochter der Hexe“ zugelegt, von Paula Brackston. Eine faszinierende Reise der
Hexe Bess. Vorgeschriebene Pflichtlektüre, die offen denkende Leser/Leserinnen
in eine magische Welt abtauchen lässt. Genau meins!
Leipziger Buchmesse bedeutet auch Abenteuer pur. Den roten
Kontinent Australiens entdecken, um dort Aborigines, Kängurus und Koalas zu
begegnen. Neuseeland erleben wie die Einheimischen, das Land der langen, weißen
Wolken oder sich doch lieber selbst finden und sich eine Übersicht der
bekannten Jakobswege verschaffen? Alles möglich, hier in Leipzig.
Auf der Leipziger Buchmesse konnten wir auch an der größten
Wohnzimmerlesung des „Autorinnenclub“ teilnehmen. 13 Mitglieder stellten uns
ihre Zeilen vor. Vom Newcomer bis zu einer Autorin mit Auszeichnung war alles
dabei. Ein „fruchtbares Netzwerk unter Frauen sei wichtig“, so eine der
verantwortlichen Autorinnen und damit gebe ich ihr völlig Recht.
Immer wieder hörten wir begründete Fragen. Das eigene
Manuskript an Verlage weiterreichen oder sich doch an Self Publishing wagen?
Dabei lagen die Antworten so nahe! Um uns herum befanden sich Mitarbeiter der
ganz Großen. Goldmann, Rowohlt, Heyne, Bastei Lübbe, nur um einige zu nennen. Aber
auch kleinere Verlage, die immer wieder gerne Manuskripte annehmen, konnte man
hier kennen lernen. Ein sehr interessantes und umfangreiches Gespräch führte
ich mit Tino Hemmann. Er vertrat den ENGELSDORFER Verlag, in Leipzig ansässig. Dieser
kleine Verlag ist sehr persönlich und schaffte es durchaus, sich hier auf der
Buchmesse sehr gut zu präsentieren. Echt gefreut habe ich mich auch darüber,
das Buch meines Autorenkollegen Kurt Guske aus Bottrop Kirchhellen „Entführt,
Vermisst, Verschollen“ aus dem Engesldorfer Verlag hier an dem Stand zu
entdecken. Ein klasse Buch und ein hervorragender Autor!
Sehr anschaulich war auch der TraumFänger Verlag. Ein
Fachverlag für gute Indianer Literatur. Mit ihrem Verlag unterstützen sie die
Lakota Horsemenship und das Winterprojekt des Pine Ridge Reservat, Süddakota
USA. Vorgestellt wurden hier selbstverständlich auch ihre Neuheiten: Pine Ridge
statt Pina Colada, Meine Mutter, der Indianer und ich, Im Schatten des
Schamanen. Eine völlig andere Welt, aber wirklich sehr zu empfehlen!
Auch die Kunst kam auf der Leipziger Buchmesse nicht zu
kurz. Kreative Werke, wie Bücher aus Stein, Federwerkzeug oder antiquarische
Besonderheiten konnten bewundert oder sogar erstanden werden. Natürlich sollte
ich auch den kulinarischen Aspekt dieser Messe kurz erwähnen. Wer kann solch
ein Event schon ohne genussvolle Speisen und Trünke genießen? Auch hier könnte
ich wieder ins Schwärmen geraten, auch hier gab es unendliche
Geschmacksrichtungen. Eins jedoch fand ich persönlich besonders gut gelungen.
Bücher und Wein passen meiner Meinung nach hervorragend zusammen. In dieser
Zeit versuchten wir natürlich, soviel Input wie möglich zu erhalten, dabei
stießen wir auf den Stand „Die Winzer IG Neumagen-Dhron“ an der Mosel. Bei
einer genialen Weinprobe lernten wir „9 Weintypen“ kennen, die es echt drauf
hatten. Leider konnten wir die Weinprobe nicht richtig genießen, deshalb ließen
wir uns Infomaterial in die Hand drücken. Irgendwann wollen wir die „Stella
Noviomagi“ von Neumagen-Dhron an der Mosel kennenlernen. Der fahrtüchtige
Nachbau des berühmten Neumagener Weinschiff - Denkmal. Was kann es Schöneres an
einem strahlenden Sonnentag geben, als eine Weinprobe auf einem antiken
Holzrömerschiff und dabei ein gutes Buch in der Tasche zu haben? Versuchen wir
es doch mal.
So sehr wir auch diesen außergewöhnlichen Tagen der
Leipziger Buchmesse entgegen gefiebert haben, so schnell zogen sie uns in ihrem
Bann und flogen nur so davon. Ich könnte noch über so vieles über diese
hochinteressante Messe berichten, aber dies würde die restliche Welt dann
wahrscheinlich „Manuskript“ nennen. Obwohl, daran arbeite ich ja gerade. Vielleicht
findet man eines Tages mein Buch auf der Leipziger Buchmesse wieder. Oder
Ihres? Den Traum daran nie aufgeben, denn eins wird immer Wirklichkeit bleiben
und hat bis heute einen immens hohen Stellenwert - die Leipziger Buchmesse!
Bericht Tina
Becker
Fotomaterial Thorsten Adams & Natascha Becker
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